Drillingsberichte
1937|1938|1939|1940|1941|1942|1943|1944|1945
Die „Drillingsberichte“ sind eine Sammlung von Briefen, in denen der jüdische Arzt Felix Oestreicher seinen Verwandten von 1937 bis 1943 über das Wohlergehen seiner drei Töchter berichtet. Er schreibt über die Entwicklung seiner kleinen „Drillinge“: die Zwillinge Helli und Maria (1936) und ihre ältere Schwester Beate (1934). Felix nennt diese Briefe „Drillingsberichte“, da sie von seinen „Drillingen“ und deren Erziehung („das Drillen“) handeln. Die Briefe sollen seine große, in ganz Europa verteilte Familie über das Wohlergehen seiner Frau Gerda, der Kinder und „Omi“, der Mutter von Felix, die bei ihnen lebt, auf dem Laufenden halten.
Die Sammlung der Briefe illustriert, wie es einer jüdischen Familie in dieser unruhigen Zeit, am Vorabend und während des Zweiten Weltkriegs, geht. Die Familie emigriert von Karlsbad in die Niederlande und auch dort muss die Familie innerhalb des Landes häufig umziehen. Als die Kinder, bedingt durch den Erlass der deutschen Besatzer nicht mehr in die Schule gehen dürfen, erteilt Felix ihnen zu Hause Unterricht. Die Briefe beschreiben den Alltag der Familie unter schwierigen Umständen, doch die Zeit der Unsicherheit und der Krieg selbst werden auffallend wenig thematisiert. Die Eltern scheinen zu versuchen, ein so normales Leben wie möglich zu führen, um ihre Kinder auf die Zukunft vorzubereiten.
1937
Karlsbad
Am 19. April 1937 verfasst Felix Oestreicher in Karlsbad den ersten „Drillingsbericht“. Er ist Autor und Redakteur in einem, gemeinsam mit Gerda, die seine Briefe korrigiert. Er verspricht, einmal pro Woche zu schreiben (später nur noch alle zwei Wochen und danach seltener). Dabei präsentiert er die Briefe wie ein Abonnement: wer es mehrmals versäumt, innerhalb von vierzehn Tagen schriftlich zu antworten (mit Rückporto wegen der Briefmarken für seine Sammlung), bekommt keine Briefe mehr. Scherzhaft verspricht Felix später, dass die Briefe auf Deutsch, Niederländisch und Tschechisch erscheinen werden, was aber nicht der Fall ist. Deutsch ist überwiegend die Sprache in den Berichten, wobei gelegentlich einige niederländische Notizen oder ein englischer Satz verwendet werden. Felix nimmt das Schreiben der Briefe sehr ernst, da er hofft, dass die Empfänger sie behalten und er sie später, nach Ende der unsicheren Zeiten des Krieges, wie ein Tagebuch lesen kann.
In den Briefen aus dem Jahr 1937 widmet Felix der Beschreibung und Entwicklung seiner Kinder viel Aufmerksamkeit, da er es bedauert, dass einige seiner Verwandten und Freunde die Mädchen nicht aufwachsen sehen können. Beate ist zu dieser Zeit zweieinhalb, Helli und Maria sind ein Jahr alt. Er schreibt über die Zwillinge, die zu laufen beginnen und bald darauf in ganzen Sätzen sprechen lernen. Maria ist größer, lauter und lebendiger als die kleinere, ruhigere Helli. Auch Beate wird erwähnt, die gerade trocken werden soll und einen Roller geschenkt bekommen hat. Alle drei Mädchen lieben ihre Tierbücher, in die sie sich gerne vertiefen und dabei viel über die Tierwelt lernen.
1938
Karlsbad, Bergen aan Zee, Leiden
Anfang des Jahres 1938 ist Felix für ein Forschungsprojekt einige Monate im Ausland unterwegs. Gerda übernimmt in dieser Zeit das Schreiben der Briefe. In einem ihrer Berichte kommt zum ersten Mal die Unsicherheit, in der sie leben, zum Ausdruck. Am 20. März 1938 schreibt Gerda, dass sie sich bereits seit zwei Wochen vor einem Bericht oder Ereignis fürchtet, der ihr Leben völlig verändern könnte. Im März 1938 kommt es zum „Anschluss“ von Österreich und bald darauf droht Deutschland unter Hitlers Regime mit der Besetzung der Tschechoslowakei. Kurz nach diesem Brief kommt Felix zurück und die Familie flieht in die Niederlande, wo Gerdas Eltern leben und man sich vor den Konflikten mit Deutschland noch in Sicherheit wähnt. Zunächst übernachten sie in Bergen aan Zee, um anschließend im Juli nach Leiden umzuziehen. Das Leben geht hier normal weiter und die Familie gewöhnt sich schnell an die neuen Umstände. Gerda bringt den Mädchen die niederländische Sprache nahe, indem sie ihnen langsam niederländische Märchen vorliest. Sie selbst beherrscht die Sprache gut, da sie ab 1922 in den Niederlanden zur Schule ging. Die Kinder sprechen bald eine Mischung aus Niederländisch und Deutsch und gewöhnen sich auf diese Weise an ihr neues Heimatland. Sie mögen Apfelmus gerne und feiern sogar das niederländische Nikolausfest.
Im Jahr 1938 passiert viel mehr als in den Briefe berichtet wird. So ist in den Briefen nur vereinzelt von einer Auswanderung in die USA die Rede, doch in Wirklichkeit hat sich Felix viel intensiver damit beschäftigt, als er es in den Briefen zur Sprache bringt. In diesem Jahr kümmert er sich mehrmals um Auswanderungsmöglichkeiten von England aus, da die Familie trotz ihrer Wohnsituation in den Niederlanden aufgrund der zunehmenden Bedrohung weiterhin die Absicht hat, Europa zu verlassen.
1939
Leiden, Katwijk aan Zee
Im Jahr 1939 schreibt Felix weiterhin jede Woche einen Brief über seine Familie und berichtet darin oft über nette Anekdoten von seinen Töchtern. Die Mädchen diskutieren beispielsweise einmal darüber, ob Tiere sprechen können, sie führen ihrer Großmutter ein Theaterstück vor und wünschen sich ein Kaninchen. Beate entwickelt sich laut Felix zu einem richtigen Mädchen, und sie kann bereits ohne Stützräder Fahrrad fahren.
Im Frühjahr zieht die Familie nach Katwijk aan Zee, wo die Kinder sich schon bald mit den Nachbarskindern anfreunden. Von einer drohenden Kriegsatmosphäre ist in den Briefen keine Rede. Was die Mädchen von der unruhigen Situation verstehen, bleibt unklar, doch sie stellen einige Fragen über Karlsbad, schreibt Felix. Sie reden beispielsweise immer noch über das Kindermädchen in Karlsbad und fragen bei einem Gewittersturm, ob dieser die bösen Menschen aus Karlsbad verjagen wird. Dies zeigt, dass sie eine gewisse Vorstellung von der Besatzung in Karlsbad haben.
1940
Katwijk aan Zee, Blaricum
Im Frühjahr 1940 gibt es in den Briefen noch keinerlei Hinweise auf den bevorstehenden Krieg. Felix schreibt mit einer gewissen Regelmäßigkeit, doch das wird sich ändern. Er hat die niederländische ärztliche Prüfung bestanden und ist mit seiner Arbeit sehr beschäftigt. Die Kinder stehen in den Briefen weiterhin im Mittelpunkt; so hat Beate ihren ersten Milchzahn verloren, Helli geht an Beates Stelle zum Turnunterricht und alle Mädchen mögen Blumen sehr.
Der letzte Brief vor dem deutschen Überfall auf die Niederlande ist auf den 4. Mai 1940 datiert; der darauffolgende Brief ist am 8. Juli 1940 geschrieben. Felix hat mehr als zwei Monate keine Briefe geschrieben, doch beabsichtigt, trotz allem weiter über seine Kinder zu berichten. Was in der Zeit zwischen diesen beiden Briefen geschehen ist, will er in einer ruhigeren Zeit aufschreiben. Von nun an steht die Bildung seiner drei Töchter, die zu Hause von Felix unterrichtet werden, im Mittelpunkt der Briefe. Die Kinder beginnen, Fragen über den Krieg zu stellen. Sie fragen sich etwa, wie das Leben aussieht, wenn kein Krieg herrscht, und ob es dann auch keine Lebensmittelmarken mehr gibt. Felix beobachtet, dass die Mädchen auch ihre Spiele dem Krieg anpassen. Kaufladen wird beispielsweise unter dem Motto „ohne Lebensmittelmarke bekommst du nichts“ gespielt. Im Oktober ziehen sie nach Blaricum um, weil die Besatzer ihnen nicht mehr erlauben, an der Küste zu wohnen. Die Familie versucht, alles so normal wie möglich beizubehalten und feiert weiterhin die Geburtstage der Kinder und das niederländische Nikolausfest. Felix gibt Beate ihren ersten Leseunterricht und berichtet, dass er den Kindern einmal in der Woche von Gott erzählt.
1941
Blaricum
Felix konzentriert sich in seinen Briefen immer mehr auf den Unterricht seiner Töchter. Den Mädchen gelingt das Rechnen beispielsweise schon sehr gut, doch das Lesen finden sie noch recht schwierig. Nach und nach machen die Kinder Fortschritte im Lesen und Schreiben und Beate schreibt bereits eigene Briefe. Die Kinder fangen außerdem an, Fragen über Religion, Katholiken und Juden, zu stellen und wollen wissen, warum Gott den Krieg zulässt. Der Lehrer, den Felix zurate zieht, ist mit dem Fortschritt der Kinder zufrieden. Felix schreibt auch explizit, dass alles normal weiter gehen soll. Die Familie feiert beispielsweise Ostern, Muttertag und den Geburtstag von Felix. Es fällt ihm nicht leicht, Antworten auf die Fragen seiner Töchter über den Krieg zu geben, doch er ist froh, dass sie noch nicht auf die Idee gekommen sind, „Krieg“ zu spielen.
Beate darf dem Unterricht einer Schulklasse eine Woche beiwohnen und es stellt sich heraus, dass sie im Rechnen die Beste ist. Die Kinder bekommen weiterhin zu Hause Unterricht, worüber Felix ausführlich berichtet. Er stellt fest, dass seine Töchter die Nervosität der Eltern über den Krieg spüren. Beate spricht noch manchmal über Karlsbad und möchte Bilder von den Bergen sehen, die es dort gibt. Den Kindern gelingt das Lernen gut, auch das Lesen und Schreiben. Beate kann sogar bereits mit der Schreibmaschine umgehen.
1942
Blaricum, Amsterdam
Zu Anfang des Jahres 1942 finden zwei Hochzeiten von Onkeln und Tanten statt: Hein Laqueur und Judith Révész sowie Renate Laqueur und Paul Goldschmidt heiraten. So geht das Leben, trotz der Bedrohung und der Gefahr, gefangen genommen zu werden, weiter. Gerda könnte vielleicht eine Stelle als Deutschlehrerin bekommen, doch darüber wird später nichts mehr berichtet. Die Kinder spüren die Unruhen, stellen jedoch keine Fragen. Einer der ersten Berichte dieses Jahres enthält einen Brief vom 17. Februar 1942 in einem geschlossenen Umschlag, der erst nach dem Zweiten Weltkrieg geöffnet werden kann. In dem beigefügten Brief äußert Felix seine Besorgtheit über seine Überlebenschancen, hofft aber, diesen und die anderen Briefe nach dem Zweiten Weltkrieg lesen zu können.
Das Unterrichten der Kinder zu Hause geht weiter, doch Felix bringt es nun seltener zur Sprache. Es macht ihm nur noch wenig Freude, die Kinder zu unterrichten und Briefe zu schreiben. Ebenso würde er am liebsten das Nikolausfest übergehen, doch die Vorfreude seiner Töchter, die eifrig mit Basteln beschäftigt sind, bringt ihn dazu, mitzumachen.
Im Frühjahr 1942 versucht die Familie, unterzutauchen, doch es gelingt letztendlich nicht. Im August ziehen sie nach Amsterdam, da alle Juden dort nach Anordnung der Besatzer wohnen müssen. Kurz darauf kommen Offiziere vorbei, die die Häuser der Juden inspizieren und Judensterne austeilen. Die Mädchen tragen die Sterne und fertigen solche auch für ihre Puppen an. Felix schreibt immer weniger. Obwohl die Familie versucht, ihr Leben normal weiterzuleben, wird die Angst immer stärker spürbar, auch in den Briefen.
1943
Amsterdam, Westerbork
Felix berichtet, dass die Familie Gerdas Geburtstag gefeiert hat, als ob Frieden herrsche. Die Kinder haben Märchen verfasst und Beate hat eine kleine Geschichte für ihre Mutter auf der Schreibmaschine geschrieben. Felix hat immer weniger Zeit für den Unterricht, doch die Kinder lernen trotzdem viel dazu. Im Februar sind die Zwillinge sieben Jahre alt geworden. Die Mädchen sind schon ziemlich unabhängig und bekommen Sprachunterricht von Onkel Paul. Felix selbst unterrichtet Fachgebiete wie Erdkunde und Geschichte. Eines der letztbeschriebenen Ereignisse ist Beates neunter Geburtstag am 8. Oktober. Laut Felix ist sie schon ein großes Mädchen, das mit seinem Vater ein ernstes Gespräch über Gott führen kann. Der letzte Brief ist am 25. Oktober 1943 verfasst: „Die Zeit geht im Nichts auf“, schreibt Felix.
Am 1. November 1943 wird die Familie verhaftet (das war zuvor auch schon einmal passiert, sie wurden durch das Eingreifen von Ernst Laqueur jedoch nicht lange festgehalten). Gemeinsam mit Omi werden sie zum Theater in Amsterdam gebracht und anschließend nach Westerbork transportiert. Nur Helli wird zurückgelassen. Da sie wahrscheinlich Diphtherie hat und die Nazis eine Ansteckung vermeiden wollen, wird sie im Senioren- und Behindertenheim „De Joodse Invalide“ in Amsterdam untergebracht.
1944
Westerbork, Bergen Belsen
Maria, Beate, Gerda, Felix und „Omi“ Clara werden in Westerbork interniert. Lisbeth Oestreicher, die Schwester von Felix, befindet sich bereits seit Anfang des Jahres 1943 dort und wird bis zur Befreiung bleiben. Marie, die andere Schwester von Felix, taucht unter. Die Familienmitglieder halten sich ein paar Monate in Westerbork auf. Im April 1944 folgt ihre Deportation nach Bergen-Belsen, wo auch Gerdas Schwester Renate und ihr Mann Paul Goldschmidt gefangen sind.
Helli wird nach mehr als zwei Monaten aus dem Heim entlassen und von der Widerstandsbewegung beim noch kinderlosen Ehepaar Braakhekke in Gorssel untergebracht. Sie nehmen sie auf, als ob sie ihre eigene Tochter wäre. Die neunjährige Helli Oestreicher muss sich von nun an Ellie Strijker nennen, sodass ihre Identität vor den Nazis verborgen bleibt.
1945
Bergen Belsen, Tröbitz
Die Familie lebt fast ein Jahr in Bergen-Belsen. Felix führt bereits ab dem Moment ihrer Aufnahme dort ein Lagertagebuch, was sich vor allem wie ein sehr sachlicher Bericht liest: Er erwähnt, wie viele Personen er als Arzt pro Tag behandelt, welche Ernährung sie erhalten und wer verstorben ist. Am 10. April 1945, als die Alliierten sich Bergen-Belsen nähern, wird eine große Gruppe von Gefangenen in Züge verladen und in den Osten transportiert. Auch die Familie Oestreicher wird in einem dieser Züge gebracht, jedoch ohne „Omi“ Clara, die zu schwach ist und wenige Tage später in Bergen-Belsen stirbt. Felix, Gerda, Beate und Maria befinden sich in einem der Züge, die schließlich von den Russen in Tröbitz, einer kleinen Stadt im östlichen Deutschland, befreit werden. Der Transport erfolgt unter entsetzlichen Bedingungen und dauert 14 Tage und Nächte, vom 11. April bis zum 24. April am Morgen. In Tröbitz erhalten sie Unterschlupf bei einer Familie. Sie sind jetzt zwar frei, aber noch stark unterernährt. Gerda ist schließlich so geschwächt, dass sie Typhus bekommt. Sie lebt noch ein paar Tage im Haus, doch Beate und Maria dürfen sie aufgrund der Ansteckungsgefahr nicht sehen. Gerda stirbt am 31. Mai 1945 an den Folgen der Strapazen des Konzentrationslagers. Felix hat sich auch mit Typhus infiziert, wahrscheinlich, weil er im Krankenhaus arbeitete und Gerda noch gepflegt hat. Er wird selbst ins Krankenhaus aufgenommen und Beate und Maria werden ihn nicht mehr wiedersehen. Am 9. Juni 1945 wird ihnen mitgeteilt, dass ihr Vater gestorben ist.
Helli hält sich während dieser ganzen Zeit bei Familie Braakhekke in Gorssel versteckt. Die Braakhekkes bekommen Ende August 1944 selbst eine Tochter, die sie als Gottes Belohnung für die Aufnahme Hellis sehen. Ende Juni werden Beate und Maria in die Niederlande gebracht und von ihren Großeltern mütterlicherseits, den Laqueurs, in Amsterdam aufgenommen. Schließlich kommt es auf dem Bauernhof in Gorssel zur Wiedersehen der drei Schwestern.
Auch andere Mitglieder der Familie Oestreicher und Laqueur überleben den Krieg. Lisbeth, die Schwester von Felix, heiratet Otto Birman sofort nach der Befreiung von Westerbork am 6. Mai in Westerbork.
Die drei verwaisten Mädchen werden von ihrer Familie herzlich aufgenommen. Die Großeltern Ernst Laqueur und Margarethe Laqueur-Löwenthal finden eine gute Betreuung für die Mädchen in Bergen. Nach dem plötzlichen Tod von Ernst im Jahr 1947 wird dessen Assistentin Mieke Mesdag Vormund der drei Mädchen. Lisbeth und Otto Birman werden anschließend die Pflegeeltern von Beate, Helli und Maria, die im Sommer 1947 zu ihnen nach Amersfoort ziehen. Dank der liebevollen Fürsorge ihrer Großeltern, Onkeln und Tanten konnten die Mädchen ihr Leben weiter in den Niederlanden führen.
Der Krieg ist vorbei und die Freiheit ist zurückgekehrt, sodass nun auch der letzte Brief der Drillingsberichte, das Schreiben vom 17. Februar 1942 geöffnet werden kann. Er kann als das Testament von Felix gelesen werden, in dem sich Hoffnung und Angst abwechseln. Er schreibt, dass er hofft, den Brief selbst vorlesen zu können, wenn wieder Frieden herrscht. Wie eine Pflanze fühle er sich, die aus dem Boden gerissen und weggeworfen wird, um zu verwelken. Er dankt Gott und Ernst Laqueur für die Tatsache, dass sie noch am Leben sind und keine Geldsorgen haben, denn er verdient zwar mit Erste-Hilfe-Kursen etwas dazu, doch dies würde nicht ausreichen. Auch erkennt Felix nur noch wenig Sinn darin, Geld zu verdienen, da in benachbarten Städten einige deutsche Juden festgenommen wurden, die außer der Kleidung am Leib nichts ins Lager mitnehmen durften. Neue Sachen anzuschaffen, wird somit für ihn sinnlos und macht keine Freude mehr.
Etwas schwierig ist die Beziehung von Felix und seinem Schwiegervater, obwohl er von diesem viel Hilfe erhalten hat. Felix benötigt Geld, um gemeinsam mit seiner Familie in die USA auszuwandern, doch er hat zu der Zeit nicht genügend Mittel. Außerdem wurde er zu spät davon informiert, dass Ernst im Namen seiner Kinder – also auch für Gerda – in den USA Geld beiseitegelegt hatte. Felix kommt so zu der Auffassung, dass er mit seiner Familie vielleicht doch schon früher in den USA hätte sein könnte, hätte er dies nur früher gewusst. Doch relativierend fügt er hinzu: „Da wären wir darauf gekommen und vielleicht wären wir dadurch nach U.S.A. gekommen und jetzt schon längst durch einen Autounfall tot.“
In diesem Bericht erwähnt Felix außerdem, dass die familiäre Atmosphäre angespannt ist. Gerda weint viel und er selbst schreit wegen der kleinsten Dinge. Die Kinder bemerken das. Im letzten Absatz schreibt er, dass sie darüber nachdenken, was sie mit ihren Habseligkeiten tun könnten, falls sie festgenommen werden. Für Felix spielt es keine Rolle, was damit passiert, doch Gerda liegt viel an den Möbelstücken.
Schließlich schreibt Felix noch über die „Drillingsberichte“: „Meine Absicht bei der Erhaltung der Kinderberichte ist, dass sie einmal als Andenken an uns und die Kinder veröffentlicht werden können und so Menschen Vergnügen haben und unser Andenken erhalten bleibt, wir nicht ganz umsonst gelebt haben.“ (Datum: 17. Februar 1942)